Interview mit checkit!: So kannst du deine Drogen legal testen!

Interview mit checkit!: So kannst du deine Drogen legal testen!

“Drug Checking” wird ein immer relevanteres Thema, wenn es um Festivals oder Clubevents geht. Menschen können in Zelten oder Bussen ihre Drogen anonym auf Inhaltsstoffe prüfen lassen und mehr darüber erfahren. Wir haben Karl Schubert-Kociper von der Drug Checking Organisation checkit! in Wien zum Interview getroffen und nachgefragt, wie so ein Prozess abläuft.

Was ist Drug Checking?

Auf Festivals und in Clubs ist Drogenkonsum keine Seltenheit. Eines der Risiken dabei: Menschen nehmen chemische Substanzen ein, ohne zu wissen, welche Wirkstoffe sie enthalten. Deshalb hat es sich die Organisation checkit! zur Aufgabe gemacht, Menschen in diesem Bereich aufzuklären.

Bei ihnen kann jeder Partygast vor Ort seine Substanzen gratis von einem Experten-Team checken lassen und weiß danach Bescheid – in Deutschland ist das allerdings noch verboten. Im Gespräch mit Karl Schubert-Kociper haben wir mehr über den sogenannten „Integrierten Drug Checking Prozess“ erfahren und auch darüber geredet, warum Prävention in diesem Bereich so wichtig ist.

Das Interview

 

Herr Schubert-Kociper, wie kann man sich einen Drug Checking Prozess bei Ihnen vorstellen?

Wir bieten Drug Checking ausschließlich auf Festivals und in Clubs an. Dort haben wir einen Infostand, an dem man sich Informationen zu unterschiedlichen psychoaktiven Substanzen, deren mögliche Wirkungen und Risiken, sowie über Safer Use holen kann. Man kann sich das wie eine mobile Drogenberatungsstelle vorstellen. Klingt zwar etwas „sperrig“ und man könnte meinen da interessiert sich keiner dafür – aber genau das Gegenteil ist der Fall!

Also die Partygäste interessieren sich wirklich für Drug Checking beim Feiern?

Ja! Ein Großteil der Feiernden kennt uns und weiß von unseren Angeboten. Wir sehen großes Interesse an unseren Informationen zu psychoaktiven Substanzen. Diese sind wissenschaftlich fundiert aufbereitet und verzichten selbstverständlich auf moralisierende Aussagen. Wir bewerten das Verhalten von Konsumenten und Konsumentinnen nicht und kommen so gut mit ihnen ins Gespräch.

Und wenn man nun seine Drogen bei Ihnen testen will, wie läuft das ab?

Wir haben hinter dem Infostand ein Annahmezelt. Dort wird die Probenannahme gemacht. Die Leute, die sich für die Substanzanalyse interessieren, kommen einzeln ins Zelt; das Ganze soll natürlich so anonym wie möglich passieren. Im Zelt werden die Tester von ein bis zwei Mitarbeitern angeleitet, wie sie die Probe vorbereiten sollen. Das heißt: Wir kommen mit der Substanz, die jemand mitbringt, niemals in Kontakt.

Am Beispiel einer Ecstasy-Pille sieht die Probenannahme wie folgt aus: Der Partygast legt die Pille auf eine Waage, das Gesamtgewicht der Pille wird aufgezeichnet, anschließend wird diese fotografiert. Der Konsument reibt mit einem Schleifpapier ein paar Milligramm von der Pille ab; dieser Abrieb wird danach analysiert. Die Analyse der Probe dauert etwa eine halbe Stunde. Sämtliche Analyseergebnisse werden dann auf einer für alle Partygäste einsehbaren Ergebniswand ausgehängt und können anhand einer Nummer, die der Partygast bei der Abgabe erhalten hat, einer Probe zugeordnet werden.

Die Kommunikation der Analyseergebnisse ist an ein Ampelsystem angelehnt – grün verwenden wir nicht, da jeder Konsum von psychoaktiven Substanzen Risiken mit sich bringt und diese Farbe für die Ergebniskommunikation vollkommen ungeeignet wäre. Wir verwenden demnach die Farben weiß, gelb und rot um die Ergebnisse in Kategorien einzuordnen. Das weiße Ergebnisblatt sagt: In der Probe wurde die erwartete Substanz in einer durchschnittlichen Dosierung gefunden. Für unerwartete Ergebnisse verwenden wir die Farbe gelb und rot ist die Farbe für Warnungen.

Proben, die als unerwartetes Ergebnis kategorisiert werden, enthalten neben der erwarteten Substanz auch noch eine Unerwartete. Das ist zum Beispiel häufig der Fall bei Amphetamin, das mit Koffeinpulver verschnitten sein kann.  Gesundheitlich besonders bedenkliche Substanzen und Substanzgemische von drei und mehr pharmakologisch wirksamen Substanzen werden mit der Farbe rot als Warnungen eingestuft.

Wie genau analysieren Sie die Pillen?

Nach der Analyse einer Substanzprobe können wir sagen, welche Substanz bzw. Substanzen in einer Pille oder einem Pulver enthalten sind und in welcher Dosierung. Dieses Analyseergebnis kommunizieren wir in einem Beratungsgespräch an die Tester weiter. In diesem Gespräch bieten unsere BeraterInnen, den Testern neben Zusatzinformationen zu den enthaltenen Substanzen und Informationen zur Risikoreduktion auch die Möglichkeit einer Konsumreflexion an. Bei checkit! ist das Drug Checking also immer eingebettet in weitere Angebote, daher nennen wir diesen Ansatz „Integrated Drug Checking“.

Und wie aussagekräftig sind solche Ergebnisse?

Ein Drug Checking Ergebnis gilt immer nur für die analysierte Probe und ist nie generalisierbar. Das heißt, dass zum Beispiel weitere Pillen mit demselben Logo und der selben Farbe, wie die Getestete, eine vollkommen andere Zusammensetzung haben können.

Lehnen viele Menschen die mitgebrachten Substanzen nach dem Drug Checking ab, etwa weil sie als gefährlich eingestuft worden sind?

Ja. Man kann davon ausgehen, dass ein Großteil der Menschen die uns besuchen, deren Probe als Warnung eingestuft wird, diese Substanz auch nicht konsumieren werden. Bei unserer Zielgruppe handelt es sich um Menschen, die in ihrer Freizeit hin und wieder Substanzen konsumieren, um länger wach zu bleiben, Wahrnehmungen zu intensivieren, um Kommunikation mit anderen zu verstärken und so weiter. Konsumenten, die sich für die Zusammensetzung ihrer Substanz interessieren, sind darauf bedacht Risiken zu reduzieren und nicht ein erhöhtes Risiko einzugehen.

Wenn es um’s Testen der Drogen geht, wie läuft das rechtlich ab?

checkit! ist ein wissenschaftliches Gemeinschaftsprojekt der Suchthilfe Wien und der Medizinischen Universität Wien. Als wissenschaftliches Forschungsprojekt ist es uns gestattet, Proben illegaler Substanzen zu analysieren.

Was passiert eigentlich mit den Daten, die Sie bei einem Drug Checking Prozess erheben?

Anhand der gewonnenen Analysedaten sehen wir, welche Substanzen am Markt verfügbar sind, wie rein diese Substanzen sind, beziehungsweise welche Strecksubstanzen den Konsumenten „untergejubelt“ werden. Auch neue, unerforschte Substanzen tauchen immer wieder in den Analyseergebnissen auf. Das heißt wir können sehen, wie sich der Markt entwickelt und können die sich daraus ableitbaren Risiken wieder an Konsumenten kommunizieren.

checkit! gibt es ja schon seit 1997. Im Vergleich zu damals, sehen Sie einen Zuwachs an lebensbedrohlichen Drogen oder an Drogen, die nicht halten, was sie versprechen?

Wie ich schon vorher erwähnt habe, ist der Drogenmarkt sehr dynamisch und Zusammensetzungen von Substanzproben ändern sich ständig. Diese Veränderungen betreffen aber nicht alle psychoaktiven Substanzen immer im selben Ausmaß. Damit meine ich, dass zum Beispiel aktuell sehr viele extrem hochdosierte Ecstasypillen im Umlauf sind, Amphetaminproben aber meist nicht rein, sondern verschnitten mit anderen Substanzen vorkommen. Diese Situation kann sich aber sehr schnell wieder ändern; es könnten also zum Beispiel bald wieder viele gestreckte Ecstasypillen verkauft werden.

Abschließend: Warum glauben Sie, ist Drug Checking so wichtig? In Deutschland wird Drug Checking ja abgelehnt, weil es den Drogenkonsum angeblich “fördern” oder “legitimeren” soll.

Drug Checking fördert Drogenkonsum in keiner Weise – sondern es ist ein Ansatz, mit der Realität umzugehen und Menschen dabei zu unterstützen Risiken zu erkennen, die Möglichkeit zu schaffen, diese zu reduzieren sowie gesundheitlichen Schäden vorzubeugen. Genau das gelingt checkit! sehr gut. Je mehr Information jemand für einen Entscheidungsprozess hat, desto risikobewusster können Entscheidungen getroffen werden.

Vielen Dank für das Interview!

 

 

Umdenken?

Einige Festivals haben sich der Drug Checking Bewegung bereits angeschlossen. In den Niederlanden, in Österreich oder in der Schweiz ist Drug Checking kein Tabu mehr. Die Offenheit in diesen Ländern gegenüber dem „Drogen-Analyse-Verfahren“ ist deutlich. Deutschland ist noch nicht soweit. Dabei könnten durch Präventionsmaßnahmen möglicherweise einige Menschenleben gerettet werden. 

PS: Weitere Infos zu checkit!, sowie Beratungstermine, findest du hier!

Credit: Checkit!, Unsplash.com, ARD

Zur Person

Karl Schubert-Kociper ist Psychologe und ist seit 2008 bei checkit! tätig. Während seines Studiums begann er als Berater und übernahm später die Eventkoordination. Seit 2015 leitet er checkit!.


Marie Kaltenegger

Marie Kaltenegger